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Perfekt gekämmte Pisten

Mit Toni und Peter Obex im Pistenfahrzeug unterwegs

Wenn ein erlebnisreicher Skitag zu Ende geht, fängt ihre Arbeit erst an. Die Brüder Toni und Peter Obex sorgen mit einem perfekt eingespielten Team im Skigebiet Ratschings-Jaufen jede Nacht für top präparierte Pisten. So gegen 16 Uhr, wenn für die Liftboys die letzte Arbeitsstunde anbricht, beginnt für Toni Obex die Schicht. Er gehört zur Truppe der „Schneekatzenfahrer“ im Skigebiet Ratschings-Jaufen und hat die Aufgabe, gemeinsam mit seinen sechs Kollegen für perfekte Pisten und griffige Loipen zu sorgen. Dieses Ziel verfolgt er mit Fachkenntnis und großer Leidenschaft. Der perfekte Zustand der Pisten gilt nämlich als maßgebliche Visitenkarte und als fundamentales Qualitätsmerkmal für jedes Skigebiet. Skifahrer und Snowboarder wissen zwar die modernsten Aufstiegsanlagen sehr zu schätzen, doch erst der maximale Spaß auf perfekt präparierten Abfahrten bringt sie zum Schwärmen. Während die Pisten sich allmählich entvölkern, die Unersättlichsten unter den Skifahrern sich ein letztes Mal vom Lift auf den Berg hieven lassen und in den Skihütten ausgelassene Stimmung herrscht, werden die „Katzen“ von ihren Herrchen einer Kontrollvisite unterzogen. Denn bevor sich die breiten Tore öffnen und die Pistenfahrzeuge ins Freie dürfen, überprüfen Toni und seine Leute deren technischen Zustand und checken den Füllstand von Diesel und Öl. Liebevoll und mit großer Aufmerksamkeit betreut jeder sein eigenes Gerät – und wenn einer behauptet, seines wäre das beste oder das allerschönste von allen, merkt man, dass Mensch und Maschine hier fast eine persönliche Beziehung eingegangen sind.

LEITWÖLFE erobern die Pisten
Die Zeiten, in denen der Schnee auf den Abfahrten noch mühsam von zahlreichen Freiwilligen mit ihren Skiern festgetreten wurde, sind zum Glück längst vorbei. Heute sind im Skigebiet Ratschings-Jaufen fünf LEITWÖLFE der Firma Prinoth in Sterzing gleichzeitig im Einsatz. Seit in den 1960er Jahren die ersten Prototypen eingesetzt wurden, haben diese Geräte eine enorme technische Entwicklung hinter sich. Während die ersten einfachen Geräte noch eher einer Kreuzung zwischen Armeepanzer und Traktor glichen, sind heute bärenstarke Maschinen im Einsatz, vollgepackt mit der neuesten Spitzentechnologie. Am Bug verfügt der knallrot lackierte LEITWOLF über ein breites Räumschild, das wie die Schaufel eines Radladers hydraulisch und auf den Zentimeter genau auf die Piste gesenkt werden kann. Am Heck arbeitet eine riesige Fräswelle, die feste Schneeklumpen oder Eis fein zermahlt. Für eine gleichmäßige Verteilung sorgt schließlich das fl exible, fein gezackte Glättbrett. „Das Ergebnis ist perfekt“, freut sich Toni. Die frisch präparierte Piste sieht immerhin aus, als hätte ein Riese die Hänge mit einem feinzinkigen Kamm gestreichelt. Damit das über zehn Tonnen schwere Gerät nicht im Schnee versinkt und auf den Hängen nach derlangen Skisaison wieder Gras wächst, fährt der etwa 4,50 m breite LEITWOLF auf Raupenketten. Diese verteilen den Druck so großfl ächig, dass im Vergleich dazu sogar ein Fußgänger den Boden stärker belasten würde. Ein 435 PS starker Dieselmotor sorgt dafür, dass dem schweren Gerät die Kraft nicht ausgeht. Zum Walzen der allersteilsten Pisten fasst sich der LEITWOLF allerdings selbst an der Nase. Dann nämlich klinkt Toni am oberen Ende des Hanges ein Stahlseil ein, das auf der drehbaren Winde hinter seiner Kabine montiert ist, und seilt sich mit dem LEITWOLF gemächlich und mit der nötigen Vorsicht den Steilhang hinab. Umgekehrt zieht die Winde die Schneekatze auch wieder hinauf.
„Diese Windentechnik wenden wir manchmal auch an, wenn dieSchneedecke relativ dünn ist“, erklärt Toni. Ansonsten könnten die Raupen bis auf den Untergrund vordringen, die Grasnarbe beschädigen oder Steine an die Oberfl äche befördern. „Beides ist natürlich zu vermeiden.“ Wird das schwere Gerät jedoch vom Seil gezogen, sinken die Raupen nur mehr ganz wenig in den Schnee und die Piste kann problemlos präpariert werden. Dieses Seil könnte für Skifahrer, die noch zu später Stunde auf den Pisten unterwegs sind, allerdings auch zur tödlichen Gefahr werden, denn in der Dämmerung ist es kaum sichtbar. Das strikte Verbot der nächtlichen Pistenbenutzung ist deshalb nicht Schikane, sondern eine unerlässliche Sicherheitsregel.

Nächtliche Herren über 435 PS
Als Herr über Hunderte von PS eine mächtige Pistenraupe durch die Bergwelt zu steuern, mag auf viele cool wirken, der Job ist allerdings kein Zuckerschlecken. Toni und seine Kollegen sitzen zwar in einer mollig warm geheizten Kabine auf einem komfortablen Schalensitz, doch die spätabendlichen oder nächtlichen Arbeitszeiten sind nicht jedermanns Sache. „In der Regel arbeiten wir bis gegen 23 Uhr, doch wenn viel zu tun ist, kann es auch weit nach Mitternacht werden“, so Toni. „Und wenn über Nacht Schnee fällt oder es starke Windverfrachtungen gibt, müssen wir auch frühmorgens nochmal raus.“ Die Bedienung der LEITWÖLFE erfolgt über einen Multifunktions-Joystick, ein beleuchtetes Display zeigt jederzeit alle notwendigen Informationen an. Toni steht während der Arbeit über Funk ständig in Verbindung mit seinen Kollegen. Eventuell auftretende Besonderheiten oder Probleme können so rasch besprochen werden. „Die beiden Talabfahrten täglich wieder in einen Topzustand zu bringen, erfordert den größten Arbeitsaufwand“, sagt Toni und erklärt auch gleich warum: „Oben am Berg gibt es viele breite Pisten, die Skifahrer verteilen sich deshalb auf einer großen Fläche und können den Pisten wenig anhaben.
Auf der Talabfahrt hingegen rutschen alle auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche, die dann entsprechend stärker beansprucht wird. Dadurch entstehen kleine Schneehaufen und rutschige Eisplatten. Wir müssen das dann auffräsen und den Schnee wieder schön gleichmäßig verteilen und festwalzen.“ Aber es gilt nicht nur, die verschiedenen Skipisten in Schuss zu halten. Auch der Funpark braucht fachkundige Pflege. Hier, wo mutige Freestyler auf Snowboard oder Skiern spektakuläre Sprünge wagen, fühlt sich der BISON wohl, eine extrem wendige Pistenraupe mit erweiterter Beweglichkeit von Räumschild und Fräse. „Der BISON ist perfekt geeignet für den Bau der diversen Jumps, Tables, Boxes und Curves, der Halfpipe oder der ‚Schnecke’, ein besonderes Element in unserem Park“, erzählt Tonis Bruder Peter, der bereits seit 15 Jahren hier arbeitet. Nach dem aufwendigen Erstaufbau im Dezember verbringt er hier jeden Tag ein bis zwei Stunden mit Ausbesserungsarbeiten.
Nachdem er dann seinen BISON hinter das Gatter gesperrt hat, bekommt auch noch der HUSKY Auslauf. Dieser ist kleiner und leichter als der BISON und, wie schon sein Name vermuten lässt, ein ausgezeichneter Langstreckenläufer. Den ganzen restlichen Abend ist Peter auf dem HUSKY noch im Einsatz, bis er die 5 km lange Rodelbahn präpariert und die 16 km lange Höhenloipe perfekt gespurt hat.


Frau Holle und ihre Helfer
All die Mühen fruchten aber wenig, wenn Frau Holle ihre Betten ausnahmsweise mal nicht schütteln will. In diesem Fall bekommen Toni und seine Männer eine Zusatzaufgabe: Mit Hilfe von 60 Schneekanonen versuchen sie dann, die fehlende weiße Pracht bestmöglich zu ersetzen. Auch diese Arbeit erfolgt meist in den Nachtstunden – sowohl die Temperaturen als auch die Strompreise sind zu dieser Zeit niedriger. Nur im äußersten Notfall sind die Kanonen auch tagsüber in Betrieb. Die Geräte werden mit den Pistenraupen an den richtigen Stellen positioniert und an die Wasser-, Strom- sowie Datenleitungen angeschlossen. Die gesamte Beschneiungsanlage wird elektronisch überwacht. „Bei Fehlfunktion eines Gerätes sehe ich sofort, wo ich eingreifen muss“, erklärt Toni. „Dann presche ich mit dem Motorschlitten zur defekten Kanone und versuche, das Problem zu lösen.“ Wenn aber die Lufttemperatur zu hoch ist, können die Wassertröpfchen, die fein zerstäubt aus den Düsen gesprüht werden, nicht gefrieren. „Dann nützt alles nichts – ich muss das Gerät ausschalten.“ Die Produktion von technischem Schnee ist zum Glück meist nur zu Saisonbeginn erforderlich. Sind die Pisten erst einmal richtig eingeschneit, ist höchstens noch von Zeit zu Zeit eine Nachjustierung nötig. Im Normalfall kann man sich aber darauf verlassen, dass Väterchen Frost seinen Mantel rechtzeitig über die Ratschinger Berge ausbreitet und sie großzügig in eine dicke weiße Pracht hüllt.

Fotos: Alex Zambelli
Text: Karl Polig
©Prinoth
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